Das Projekt 'Paper and Copyists in Viennese Opera Scores, 1760–1775'

Martin Eybl

Thursday, March 7, 2024

Ein Gastbeitrag von Martin Eybl (Institut für Musikwissenschaft und Interpretationsforschung, Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Österreich):

Hunderte Werke von Haydn, Gluck oder anderen Wiener Komponisten kennt man lediglich aus zeitgenössischen Abschriften. Normalerweise bleiben solche Manuskripte undatiert, was die Bestimmung ihres Quellenwertes schwierig macht und keine Hinweise auf die Entstehungszeit der überlieferten Werke erlaubt. Da professionelle Kopisten relativ häufig das Papier wechselten, ermöglicht eine Übersicht über datierbare Papiere die Datierung von Manuskripten, die ebenfalls in Wien geschrieben wurden. Deshalb werden in dem seit 2014 von Martin Eybl geleiteten Projekt rund 150 datierbare Opernpartituren aus Habsburgischen Sammlungen unter die Lupe genommen, die professionellen Kopisten (mit Sigeln, womöglich auch namentlich) identifiziert und die verwendeten Papiere bestimmt. Mehr als der Vergleich einzelner Elemente ist die Kombination von Elementen der wertvollste Schlüssel zur Datierung.

Zur Aufnahme von Wasserzeichen wenden wir eine exakte, einfache und billige Methode an, nämlich Durchlichtaufnahmen und Bildsubtraktion. Die digitale Aufbereitung erlaubt die systematische Suche nach Kopisten, Wasserzeichen/Papieren und nach der physischen Zusammensetzung von Manuskripten. Auf der Website des Projekts, die seit Herbst 2023 jedes Manuskript mit dem entsprechenden RISM-Eintrag verknüpft, können ForscherInnen aus der Musik- und der Papierwissenschaft frei auf die Daten zugreifen. Ein „Copyist Identifyer“ ermöglicht durch Auswahl bestimmter Schreibermerkmale (wie Schlüssel, Notenformen, Pausen, Taktangaben etc.) online die Identifizierung von Kopistenhänden in weiteren Wiener Manuskripten aus den 1760er und 70er Jahren und ihre Zuordnung zu datierbaren Opernpartituren.

Im Zeitraum zwischen 1760 und 1775 wurden in Wien viele, vor allem italienische Opern aufgeführt und deren Partituren vom Hof gesammelt. Das macht den gewählten Zeitraum für diese Art von Untersuchung zu einem idealen Feld. Durch die dichte Abfolge der Quellen decken die neu erstellten Kataloge von Papieren und Kopistenhänden vermutlich große Teile der gesamten Wiener Produktion von Musikhandschriften ab. Nur so lässt sich erkennen, wie lange ein Papier verwendet wurde und ein Kopist am Markt tätig war. Bis jetzt konnten wir rund 80 Kopisten und über 70 Papiere (inklusive ihrer durch Abnützung der Siebe entstandenen Varianten) identifizieren. Die Papiere stammen zum überwiegenden Teil aus dem Toscolano-Tal am Ostufer des Gardasees, wo im 18. Jahrhundert höchstwertiges Papier produziert und über Venedig europaweit vertrieben wurde. Die Kopisten waren mehrheitlich in zwei Werkstätten zusammengeschlossen. Einen davon leitete Therese Ziss, die Witwe des letzten, 1755 verstorbenen Hofkopisten, als freie Unternehmerin.

Mehr Information zum Projekt finden Sie hier.

Zu einzelnen Manuskripten siehe etwa.

Abbildung: Wasserzeichen der Papiermühle Antonio Seguito, Toscolano, P&C Watermark P71A, Countermark

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Kategorie: Eigendarstellung


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